Presseartikel

Oberbergische Volkszeitung, 10. November 2006 (und in allen anderen Ausgabe der Kölnischen Rundschau):

Kampf um die historische Wiehltalbahn
Stillegen oder sanieren? Im Oberbergischen streitet ein Verein für eine selten genutzte Strecke

von REINER THIES

GUMMERSBACH. Sein Großvater hat als Heizer der Baulok mitgearbeitet, als die Wiehltalbahnstrecke nach Waldbröl angelegt wurde. Hundert Jahre später ist Rainer Gries Mitglied im Vorstand des "Förderkreises zur Rettung der Wiehltalbahn". Diesen dramatischen Namen trägt der Verein neuerdings wieder mit besonderem Grund. Denn er steht einer breiten Front von Bürgermeistern und Ratsmehrheiten gegenüber, die die kaum genutzte Bahnlinie als Hindernis für Autoverkehr und Industrieentwicklung möglichst bald stilllegen wollen. Doch ob dies den Gegnern gelingen wird, ist noch ungewiss.

Abfahrt 15 Uhr, Wiehl: Von der Ladefläche des vereinseigenen Schienenbaufahrzeugs blickt Gries auf den Wiehler Bahnhof. Das Gelände ist so etwas wie ein Brennpunkt des Konflikts. Direkt neben dem Bahnhof hat die Stadt einen Kreisverkehr gebaut, dessen Südabzweig an den Schienen abrupt endet. Auf den Bau eines teuren Bahnübergangs möchte die Stadtverwaltung verzichten, nachdem NRW-Verkehrsminister Oliver Wittke jüngst bei einem Besuch in Wiehl die Investition in eine Schrankenanlage als "Treppenwitz" geschmäht und den Geldhahn vorsorglich zugedreht hat. Die Wiehler wollen die Strecke zusammen mit den anderen Anliegerkommunen kaufen und sie nun doch lieber still legen.

15.05 Uhr, Oberwiehl: Recht gemütlich geht es voran. Dann und wann springt Rainer Gries von der Ladefläche, stellt eine Weiche oder sichert mit dem Fähnchen einen Bahnübergang. Die Wiehltalbahner haben es heute nicht eilig. Auf den 16 Kilometern von Dieringhausen bis Oberwiehl gibt es schon seit mehreren Jahren wieder einen sporadischen Bahnverkehr. Nun ist auch der weitere Verlauf der historischen Strecke von den Vereinsmitglieder in ungezählten Arbeitsstunden flott gemacht worden. Bald soll der erste Zug mit Fahrgästen gen Waldbröl rollen.

15.10 Uhr, Remperg: Hinter Remperg passiert der Schienenwagen den Biebersteiner Stauweiher. Bald eröffnen sich wunderschöne Ausblicke in die "bucklige Welt" des Oberbergischen Landes. Der touristische Reiz des denkmalgeschützten Schienenwegs ist unumstritten. Der politische Streit entzündet sich an der Frage, ob die Wiehltalbahn wieder eine Achse des regionalen Nahverkehrs werden könnte. Die Wiehltalbahner verweisen auf Verkehrsinfarkt, Klimawandel und Energiekrise. Die Lokalpolitiker glauben dagegen nicht, dass eine nennenswerte Zahl von Menschen die Umstände einer Bahnfahrt auf sich nehmen will, die sie doch nur bis Dieringhausen bringt. Von dort bis nach Köln braucht die Regionalbahn eine weitere Stunde.

15.20 Uhr Brüchermühle: Einer der größten Arbeitgeber im Oberbergischen Kreis ist die BPW Bergische Achsen KG, ein weltweit erfolgreicher Hersteller von Lkw-Achsen. In Wiehl liegt das BPW-Firmengelände zu beiden Seiten der Bahnstrecke. Auch im Werk Brüchermühle fühlt sich die Firma von den Gleisen in ihrer Entwicklung behindert. Ähnlich verhält es sich beim Bielsteiner Edelstahlwerk Kind & Co. am oberen Teil der Strecke. Dessen ungeachtet bieten sich die Wiehltalbahner als Partner der oberbergischen Industrie an.

15.40 Uhr, Hermesdorf: Den malerischen Bahnhof in Hermesdorf hat sich ein Künstler zu einem schmucken Eigenheim ausgebaut. Die CDU im Wiehler Rat möchte auch die Schienentrasse umnutzen - als Fahrradweg für Touristen. Ein Alptraum für Förderkreischef Mansel und seine Mitstreiter nach all der Mühe, die sie in die Strecke investiert haben. Mansel vertraut darauf, dass er das Eisenbahnrecht auf seiner Seite hat: So lange der Verein willens ist, die Strecke zu betreiben, dürften die neuen kommunalen Eigentümer sie nicht stilllegen.

Ankunft 16 Uhr, Waldbröl: Nach einer Stunde ist der Wagen am Ziel. Im regelmäßigen Personenverkehr von Wiehl nach Waldbröl soll die Fahrzeit später eine knappe halbe Stunde dauern. Auf der Rückfahrt nach Wiehl bläst der herbstliche Fahrtwind kalt ins Gesicht. "Wir haben hier eine 100 Jahre alte Infrastruktur, die noch weitere 100 Jahre existieren kann", sagt Gerhard Mansel unverdrossen. "Die Eisenbahn lässt sich von der Tagespolitik nicht beeindrucken."

 

WIEHLTALBAHN

Die Bahnstrecke durchs oberbergische Wiehltal war Teil einer geplanten Hauptstrecke von Köln nach Kassel, die nie realisiert wurde. 1897 wurde zunächst die Trasse von Osberghausen bis Wiehl eröffnet. 1906, vor genau hundert Jahren, konnte die Eisenbahn dann weiter bis nach Waldbröl fahren. Die Gesamtstrecke beträgt 24 Kilometer. Dazu kommt eine sieben Kilometer lange Nebenstrecke nach Morsbach. Bis 1965 gab es Personenverkehr auf der Wiehltalbahn. Mitte der 90er Jahre wurde der Güterbetrieb eingestellt. Seit 2003 steht die Wiehltalbahn unter Denkmalschutz. Es finden touristische Fahrten statt, über Termine wird im Internet informiert. (tie)

FÖRDERKREIS

Der "Förderkreis zur Rettung der Wiehltalbahn" mit heute 250 Mitgliedern wurde 1994 gegründet. Nachdem die Bahn die Strecke stillgelegt hatte, wurde sie vom Förderkreis 1998 gepachtet. Mehr als 1300 ehrenamtliche Arbeitsstunden wurden darauf verwandt, die Strecke freizuschneiden und zu sanieren. Mit der Rhein-Sieg-Eisenbahn GmbH wurde ein Kooperationsvertrag geschlossen, so dass der Förderkreis ab 1999 touristische Sonderfahrten durchführen konnte. Der Pendelverkehr zwischen Dieringhausen und Oberwiehl findet nun monatlich und zu besonderen Anlässen statt. Seit Mai 2005 gibt es auch sporadische Gütertransporte. (tie)